Märkte: Unterschiedliche Ansichten
LIQID Smart Letter
Februar 2024
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Märkte scheinen für 2024 unterschiedliche Szenarien einzupreisen. Während Aktien auf optimistische Konjunkturannahmen setzen, konzentrieren sich Anleihen auf eine sinkende Inflation und eine mögliche „harte Landung” der Wirtschaft.
- Die wichtigsten Anlageklassen sind unterschiedlich in das Jahr gestartet. Während Aktien im Januar Kursgewinne verzeichneten, entwickelten sich Anleihen bisher zurückhaltender – Erwartungen erster Zinssenkungen zum Trotz.
- Der US-Aktienindex S&P 500 und der japanische Nikkei 225 erzielten Anfang 2024 neue Allzeithochs, was hauptsächlich durch den Technologiesektor und die gestiegenen Bewertungen getrieben wurde.
Die Aktienmärkte preisen zu Beginn des neuen Jahres einen optimistischen Ausblick für das Wirtschaftswachstum und die Unternehmensgewinne ein. Die Erwartung für ein starkes Gewinnwachstum bei Aktien ergibt sich aus einem starken Umsatzwachstum in Verbindung mit einer Ausweitung der Bewertungen, die durch deutlich niedrigere Zinssätze unterstützt wird. Trotz der Besorgnis über die anhaltende Inflation und mögliche geopolitische Risiken wird davon ausgegangen, dass sich die Wirtschaft vorerst weiter stabilisiert.
Während die starke Dynamik an den Aktienmärkten auch 2024 ungebrochen scheint, starteten die Anleihenmärkte deutlich verhaltener in das neue Jahr (s. Abb.1). Sie preisen unseres Erachtens die Möglichkeit zahlreicher Zinssenkungen ein, die nur dann erfolgen könnten, wenn die Wirtschaft in eine Rezession abrutscht und die Inflation rasch auf ihr Zielniveau von zwei Prozent zurückkehrt. Dies deckt sich jedoch nicht mit unseren Erwartungen. Wir gehen davon aus, dass die Inflation höher ausfallen wird als erwartet und dass die Wirtschaft, insbesondere in den USA, nicht vor einer schweren Rezession steht.
Anleihen: Neuausrichtung für 2024
Anleihen spiegeln inzwischen eine vorsichtigere Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung wider. Die wichtigsten Unter-Assetklassen im Anleihen-Segment weisen seit Jahresbeginn eine leicht negative Performance auf – allerdings nach der stärksten Performance seit Jahrzehnten im November und Dezember 2023. An den Anleihenmärkten scheint sich der große Optimismus hinsichtlich eines entschlossenen Handelns der Notenbanken etwas abgekühlt zu haben. Zinssenkungen bis zum Jahresende werden zwar weiterhin erwartet, möglicherweise aber etwas später und in geringerem Ausmaß als bisher angenommen.
Ausgehend von einer „sanften Landung” der Wirtschaft und vor dem Hintergrund der heftigen Zinsbewegungen scheinen Anleihen mit mittlerer Laufzeit weiterhin am attraktivsten. Die Kombination aus attraktiver laufender Verzinsung und einem gewissen Aufwertungspotenzial, das sich aus leicht sinkenden Zinsniveaus ergibt, bietet ein gutes Rendite-Risiko-Verhältnis. Dies gilt grundsätzlich sowohl für den US-Dollar- als auch für den Euro-Raum, wobei wir im direkten Vergleich aufgrund der schwächeren Wirtschaftslage bis 2024 einen stärkeren Zinsrückgang in der Eurozone erwarten. Euro-Staatsanleihen im Laufzeitenbereich von drei bis fünf Jahren sollten daher etwas mehr Rückenwind von sinkenden Zinsen erhalten, als dies im US-Dollar-Bereich der Fall ist. Gleichzeitig dürfte sich die Renditedifferenz zwischen den beiden Währungen im Jahresverlauf weiter ausweiten (s. Abb. 2). Nichtsdestotrotz haben auch Anleihen mit längeren Laufzeiten eine gewisse Attraktivität, die vor allem bei einer „harten Landung”, die wir als Risikoszenario ansehen, zum Tragen kommt. In diesem Fall könnten Anleihen mit längerer Laufzeit als Puffer dienen.
Aktien: Fulminanter Start ins neue Jahr
Was für ein Start ins neue Jahr! Am 19. Januar 2024 schloss der US-Aktienindex S&P 500 auf einem neuen Allzeithoch. Seit dem letzten Allzeithoch dauerte es nach einem Zwischentief im Oktober 2022 rund 24 Monate, bis dieser neue Höchststand erreicht wurde. Im Vergleich dazu dauert es im historischen Median 25 Monate, bis nach einer größeren Korrektur ein neuer Höchststand erreicht wird. Einmal mehr war es der schwergewichtige Technologiesektor, der den S&P 500 beflügelte, während der gleichgewichtete S&P 500 noch knapp 3,5 Prozent und der breiter gefasste Russell 2000 mit einem höheren Anteil mittelgroßer und kleiner börsennotierter Unternehmen sogar 17,5 Prozent unter dem bisherigen Allzeithoch notierte (s. Abb. 3).
Die bisher im Russell 2000 veröffentlichten Ergebnisse für die Unternehmensgewinne im vierten Quartal 2023 zeigen ein deutlich negatives Gewinnwachstum gegenüber dem Vorjahr. Provokant formuliert gibt es in den USA heute zwei Märkte: einerseits den Technologiesektor und andererseits den „Rest”. Zudem bietet der Leitindex S&P 500 derzeit kein verlässliches Abbild des aktuell eher bescheidenen Wirtschafts- und Gewinnwachstums. Der Löwenanteil der Kursgewinne im S&P 500 ist auf eine Bewertungsexpansion im Technologiesektor zurückzuführen, wo erste Stimmen auf einen bevorstehenden „Börsen-Run” spekulieren.
Auf der anderen Seite des Globus erreichte auch der japanische Aktienmarkt ein neues Rekordhoch. Der Nikkei 225 notierte im Januar über dem letzten Allzeithoch das vor rund 34 Jahren erreicht wurde. In die letzten zwei Jahren hat der Nikkei 225 in der Lokalwährung Yen rund 35 Prozent zugelegt. Der chronische Arbeitskräftemangel treibt die digitale Transformation und Investitionen in die Automatisierung voran, was künftige Produktivitätsgewinne erwarten lässt. Hinzu kommt ein struktureller Wandel der Aktienkultur. CEOs japanischer Unternehmen lösen unproduktive Kreuzbeteiligungen auf und achten viel stärker auf Eigenkapitalrenditen, attraktive Dividenden und Aktienrückkaufprogramme, so dass die Kapitalrückführung an die Aktionäre deutlich zugenommen hat.
Was heißt das für Anleger?
Die beschriebene Entwicklung der Anlageklassen im Januar zeigt, wie viel Aufmerksamkeit die Zentralbanken weiterhin auf sich ziehen. Neben der Geldpolitik sollte aus unserer Sicht aber auch das Wirtschaftswachstum 2024 eine wichtige Rolle spielen. Sobald die Phase der Zinssenkungen eingeläutet ist, wird die Entwicklung der Aktienmärkte stark von der Konjunktur abhängen. Sollte eine Rezession ausbleiben, bietet das weiteres Aufwärtspotenzial für Aktien. Die Wahrscheinlichkeit für eine weiche Landung ist – zumindest in den USA – jüngst gestiegen.