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USA: Von Wahl­kampf zu Wall Street – Die Reak­tionen auf die US-Präsident­schafts­wahlen

LIQID Smart Letter

August 2024

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Rückzug Bidens aus der Präsidentschaftswahl sorgte für neue Spekulationen und Unsicherheit. Die Vizepräsidentin Kamala Harris scheint derzeit die vielversprechendste Kandidatin der Demokraten zu sein.
  • Die Ungewissheit um den Ausgang der US-Wahlen hat damit wieder deutlich zugenommen, nachdem der republikanische Kandidat Donald Trump zwischenzeitlich schon als klarer Favorit galt.
  • Wir betrachten den Einfluss der US-Präsidentschaftswahlen auf die Wirtschaft, Aktienmärkte und Politik.

In den vergangenen Wochen hat sich viel getan im Präsidentschaftsrennen in den USA – erst das Attentat auf Donald Trump, dann der Rücktritt Joe Bidens von der Wahl. An den Finanzmärkten sorgt diese Ungewissheit für Volatilität. Deshalb beleuchten wir in diesem Artikel, inwiefern die im November anstehende Präsidentschaftswahl Einfluss auf die Wirtschaft und die Kapitalmärkte hat.   

Chaos bei den Demokraten: Was ist passiert?

Der aktuelle US-Präsident Joe Biden kündigte am 21. Juli an, dass er nicht zur Wiederwahl antreten werde. Diese Entscheidung wurde unter dem enormen Druck von führenden Politikern und Experten der Demokraten getroffen. In den vergangenen Wochen sind Bidens Chancen auf einen Wahlsieg stark gesunken – zuerst durch seinen desaströsen Auftritt bei der TV-Debatte vom 27. Juni und dann durch das Attentat vom 13. Juli auf den republikanischen Kandidaten Donald Trump. 

Die Wahrscheinlichkeit eines Trump-Sieges lag vor Bidens Rückzug bei über 60 Prozent, doch eine Neuaufstellung bei den Demokraten könnte das US-Präsidentschaftsrennen nochmal erheblich beeinflussen. Biden und zahlreiche einflussreiche Demokraten – wie Barack und Michelle Obama – unterstützen Vizepräsidentin Kamala Harris für die Kandidatur. Die ehemalige Generalstaatsanwältin und US-Senatorin Kaliforniens könnte den Wahlkampf von Biden einfacher übernehmen als andere demokratische Kandidaten, speziell mit Blick auf die Spendengelder. Der Parteitag der Demokraten (Democratic National Convention) findet vom 19. bis 22. August in Chicago statt. Dort werden die demokratischen Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten für die Wahlen offiziell nominiert. Eine Garantie für Harris als Kandidatin gibt es damit bisher nicht. 

Wirtschaft: Kein großer Unterschied beim Vergleich der Präsidentschaften nach Parteizugehörigkeit

In der Vergangenheit ist die US-Wirtschaft – gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – während aller bisherigen 46 Präsidentschaften kontinuierlich gewachsen (s. Abb. 1). Dabei war es gleichgültig, ob es sich um einen demokratischen oder republikanischen Präsidenten handelte.

Quelle: LIQID, Federal Reserve Bank of St. Louis, J.P. Morgan Wealth Management. Stand: Q2 2024.

Beim jährlichen BIP-Wachstum und dem Haushaltsdefizit, also dem Unterschied zwischen den Ausgaben und Einnahmen der Bundesregierung, gab es keine großen Unterschiede zwischen den Präsidentschaften der beiden Parteien. Seit 1949 betrug das durchschnittliche jährliche BIP-Wachstum unter den Demokraten 3,6 Prozent, während es bei den Republikanern 2,7 Prozent war. Das US-Haushaltsdefizit war unter den Republikanern mit -3,2 Prozent etwas geringer als unter den Demokraten mit -3,3 Prozent. Aber wie sieht der Einfluss der US-Wahlen bei Aktienmärkten und in der Politik aus?

Aktienmärkte: Historische Muster

Historisch gesehen bringen US-Wahlen oft Unsicherheit und Volatilität mit sich (s. Abb. 2), insbesondere je näher der Wahltag rückt. Nach der Wahl kam es in der Vergangenheit dann oft zu einer Jahresendrally. Anleger sollten jedoch die kurzfristige Volatilität im Zusammenhang mit dem US-Wahlzyklus ignorieren. Langfristig hatte die Parteizugehörigkeit keinen signifikanten Einfluss auf die Aktienmärkte. Beispielsweise erzielte der S&P 500 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 12 Prozent unter Demokraten und 10 Prozent unter Republikanern, ohne Berücksichtigung von Ereignissen wie dem Platzen der Dotcom-Blase und der Weltfinanzkrise.1

Quelle: LIQID, Bloomberg, J.P. Morgan Wealth Management. US-Wahlen in 1980, 1984, 1988, 1992, 1996, 2000, 2004, 2008, 2012, 2016 und 2020.

Seit 1926 hat der S&P 500 trotz politischer Veränderungen eine kumulierte Rendite von 1.456.754 Prozent erzielt.2 Anleger, die investiert blieben, erzielten deutlich bessere Ergebnisse als diejenigen, die nur während der Amtszeit einer bestimmten Partei investierten. Das Investieren auf Grundlage politischer Überzeugungen führte historisch zu schlechteren Ergebnissen als langfristiges Investieren. In Wahljahren übertreffen Aktien oft ihren langfristigen Durchschnitt, während das Jahr nach der Wahl historisch das schwächste ist. 

Politik: Unsicherheit und Auswikungen auf Schlüsselbereiche

Während die US-Präsidentschaftswahlen langfristig keinen großen Einfluss auf die Wirtschaftsleistung und Aktienmärkte haben, sieht es bei der Politik anders aus. Häufig ist die Ungewissheit über politische Maßnahmen und Regulatorik die größte Gefahr. Besonders in den Sektoren Finanzen, Gesundheit, Energie und Technologie haben verschiedene politische Parteien unterschiedliche Ansichten.

Obwohl sich der Kandidat für die Demokraten geändert hat, bleiben die möglichen politischen Maßnahmen ähnlich. Kamala Harris teilt in den für die Märkte wichtigen Schlüsselfragen weitgehend die Ansichten von Joe Biden. In den weniger als 100 Tagen bis zur Wahl hätte Harris kaum Zeit, neue Wahlprogrammpunkte zu etablieren. Falls Harris im November siegt, könnte dies für politische Kontinuität sorgen. Der Sektor der sauberen Energie würde voraussichtlich profitieren, da die Demokraten die Ausgaben für erneuerbare Energien im Rahmen des Inflationsminderungsgesetzes schützen wollen. Bei einem Sieg der Republikaner könnte es hingegen zu geopolitischen Verschiebungen kommen, die den wirtschaftlichen Druck auf die EU erhöhen würden.

Quelle: LGT.

Letztlich wird der Wahlausgang in wenigen Bundesstaaten entschieden. In den sogenannten „Swing States” Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin gibt es keine klare parteiliche Mehrheit. Diese Staaten werden somit der entscheidende Faktor sein.

Was bedeutet das für Anleger?

Die Strategie, Aktien auszuwählen, die von einem republikanischen oder demokratischen Präsidenten profitieren sollen, hat in den letzten acht Jahren nicht gut funktioniert. Ein prominentes Beispiel sind die sogenannten „Trump Trades“ von 2016, bei denen in Bereiche wie Kohle, Verteidigung und Industriewerte investiert wurde. Diese blieben jedoch während Trumps Amtszeit hinter dem breiteren S&P 500 zurück. Auch während Bidens Präsidentschaft konnte man beobachten, dass erneuerbare Energiewerte eingebrochen sind, während fossile Energieträger und Rüstungswerte deutlich stiegen. Es ist daher äußerst schwierig vorherzusagen, wie sich verschiedene politische Ergebnisse auf einzelne Aktien und Sektoren auswirken werden. Deshalb ist es für Anleger umso wichtiger, auf Diversifikation und eine breite Streuung ihrer Investitionen zu setzen und den Gesamtkontext im Blick zu behalten. Politische Börsen haben bekanntlich kurze Beine und reagieren oft nur kurzfristig auf Wahlen.

In Zeiten erhöhter Volatilität sind breit diversifizierte Portfolios, wie zum Beispiel von LIQID Wealth, besonders wertvoll. Sie bieten eine robuste Streuung, die Anleger vor plötzlichen Marktbewegungen schützen kann. Mehr Gewissheit wird es nach dem Parteitag der Demokraten im August und der zweiten TV-Debatte am 10. September geben. Bis dahin sollten Anleger jedoch daran denken, dass langfristige Anlagestrategien in der Regel besser abschneiden als kurzfristige Wetten auf politische Entwicklungen. Ein gut diversifiziertes Portfolio bleibt daher der Schlüssel zum Erfolg in unsicheren Zeiten.

1 Quelle: LGT

2 Quelle: Blackrock. How the U.S. election may impact your portfolio.