Märkte: Globale Wachstumsschwäche nimmt an Fahrt auf
LIQID Smart Letter
September 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Rückblick: Die Märkte haben den August überwiegend mit leicht negativen Vorzeichen abgeschlossen. Der Anleihenmarkt zeigte ein gemischtes Bild, während Aktien in allen Regionen Verluste verzeichneten.
- Ausblick: Bei Anleihen konsolidieren sich die Renditen auf einem hohen Niveau, während Aktien durch die globale Wachstumsschwäche und steigende Zinsen zunehmend in Mitleidenschaft gezogen werden.
- Die gewohnten Korrelationseigenschaften waren seit August auch wieder in diversifizierten Portfolios festzustellen. So führten steigende Zinsen zuletzt zu einer Korrektur der Bewertungen von Aktien, die seit Jahresanfang zunächst gestiegen waren.
Das globale Wachstum kühlt sich seit der Jahreshälfte weiter ab. In den USA droht eine weitere Verlangsamung der Konsumaktivität, das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bis zum Jahresende zum Stillstand zu bringen. Dazu kommt, dass eine breit angelegte Wachstumsschwäche in China und deren Ausstrahleffekte weiteres Bremspotential für die Weltwirtschaft mit sich bringen. Das gilt insbesondere für die exportorientierte Euro-Wirtschaft.
Wir erwarten für das zweite Halbjahr 2023 ein sehr schwaches bzw. Nullwachstum in den USA, eine Fortsetzung der konjunkturellen Abkühlung in China und eine erhöhte Rezessionsgefahr für die Eurozone. Immerhin sorgt der schwache Nachfragedruck potenziell für eine weiterhin rückläufige Inflation, was zumindest den geldpolitischen Ausblick etwas entspannen dürfte.
Die Märkte haben den August überwiegend mit leichten negativen Vorzeichen abgeschlossen. Der Anleihenmarkt zeigte ein gemischtes Bild, wobei Unternehmensanleihen leichte Verluste und Staatsanleihen leichte Gewinne verzeichneten. Bei Aktien kam es im August zu Verlusten in allen Regionen. Während die Bewertungen bei Aktien im bisherigen Jahresverlauf trotz steigender Zinsen eher gestiegen waren, drehte sich dieser Trend im August um. Auf Jahressicht stehen Aktien – mit Ausnahme der Pazifikregion – auf Indexebene weiter deutlich im Plus.
Abb. 1: Rendite ausgewählter Anlageklassen im August 2023 und seit Jahresbeginn
Anleihen: Zinsumfeld länger auf erhöhtem Niveau
In den letzten Wochen dominierte an den globalen Finanzmärkten das Thema eines lang anhaltenden Hochzinsniveaus, gestützt durch starke wirtschaftliche Daten wie das steigende Lohnwachstum und anhaltend hohe Inflationsraten. Dies führte bei Anleihen zu einem Phänomen, das als „Bear-Steepening” bezeichnet wird und eine Situation beschreibt, bei der die Zinsen für langfristige Anleihen schneller stiegen als für kurzfristige. Besonders betroffen waren langfristige Anleihen und Schwellenländeranleihen, die unter Kreditrisiken litten, insbesondere aufgrund von Bedenken über strukturelle Probleme im chinesischen Immobilien- und Schattenbankensektor.
US-Staatsanleihen gewannen an Attraktivität, da ihre Renditen auf Niveaus stiegen, die zuletzt während der globalen Finanzkrise 2008 gesehen wurden. Dieser Anstieg wurde jedoch nicht von Inflationserwartungen, sondern von technischen Faktoren und einem hohen Angebot an langfristigen Staatsanleihen in Zeiten geringer Liquidität getrieben. Die Veränderung der US-Zinsstrukturkurve deutet auf eine länger anhaltende restriktive Geldpolitik hin, während ein „Soft Landing” nun zum Konsens geworden ist. Bei dem „Soft Landing” handelt es sich um eine zyklische Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, die eine Rezession vermeidet.
Abb. 2: Reale Renditen 10-jähriger Staatsanleihen steigen weiter
Für die USA leiten wir daraus ab, dass der aktuelle Zinszyklus überdurchschnittlich lange anhalten dürfte. Die Kapitalmärkte antizipieren derzeit eine erste Zinssenkung Mitte des zweiten Quartals 2024. Dagegen sehen wir in Europa das Risiko einer schwachen Wirtschaftsentwicklung und politischer Divergenzen innerhalb der Eurozone. Dies könnte die Europäische Zentralbank (EZB) dazu veranlassen, die Zinsschraube früher als ursprünglich erwartet wieder zu lockern. In beiden Regionen konnten sich die realen Renditen der Anleihen – nach Abzug der aktuellen Inflationsraten – deutlich erholen (Abb. 2).
Aktien: Schwellenländer auf „Neutral“ herabgestuft
Im August waren zwei Entwicklungen für die Aktienmärkte entscheidend: erstens eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Aussichten und zweitens ein Anstieg der Staatsanleihenzinsen in den USA und Europa. Die wirtschaftliche Unsicherheit beeinträchtigt das erwartete Umsatz- und Gewinnwachstum, während die höheren Kapitalkosten die Bewertungen drücken. Besonders exportorientierte Schwellenländer sind von dieser Situation betroffen, zusätzlich belastet durch Liquiditätsengpässe im US-Dollarraum.
China, der größte Schwellenländermarkt, kämpft mit hausgemachten Problemen, darunter eine erneute Schwäche im Immobilienmarkt, die sich auf das Baugewerbe, das Schattenbankensystem und die Verbraucherstimmung auswirkt. Die Hoffnung auf eine starke Erholung nach den Lockdowns schwindet, da viele Haushalte keine Ersparnisse bilden konnten, und ihr Vermögen im Immobilienmarkt steckt. Eine abnehmende inländische Konsumnachfrage verschärft die Lage, denn internationale Konzerne diversifizieren ihre Lieferketten, indem sie Teile ihrer Produktion in andere Schwellenländer verlegen – die sogenannte „China +1-Strategie”. Damit fließen ausländische Investitionen vermehrt in andere Schwellenländer, die China kürzlich hinter sich gelassen haben (Abb. 3).
Abb. 3: Schwellenländer ohne China performen besser
Während die US-Notenbank mit Zinserhöhungen die Inflation bekämpft, stimuliert die Regierung in Washington die Wirtschaft mit hohen Fiskalausgaben munter weiter. Dies verursacht rekordhohe Defizite, wie es sie historisch nur in Rezessionen oder Krisenzeiten gab, resultiert aber in bisher besser als erwarteten Wirtschaftsdaten. Die Aussichten haben sich global eingetrübt, was die USA aufgrund ihrer geringeren Exportabhängigkeit weniger stark betrifft. Schätzungen zufolge erwirtschaften US-Unternehmen lediglich 4 Prozent ihrer Umsätze mit China, europäische Konzerne dagegen mehr als 7 Prozent.
Was heißt das für die Märkte?
Eingetrübte wirtschaftliche Wachstumsaussichten, erhöhte Unsicherheiten in China und der Anstieg der Renditen von Staatsanleihen in den USA und Europa bilden kurzfristig ein herausforderndes Umfeld für Aktien. Auch die Anleihenmärkte dürften weiterhin volatil bleiben, wie üblich zum Ende eines Zinserhöhunszyklus.
Im letzten Monat löste der Anstieg der Renditen bei Anleihen einen Ausverkauf bei den Aktien aus. Diese Korrelation ist bei der Zusammenstellung eines Portfolios sehr relevant und gibt auch einen Hinweis darauf, wie Aktien kurzfristig auf Daten reagieren könnten. In dieser Situation ist eine systematische und breite Diversifikation besonders wichtig.