Anlageklassen

Märkte: Verbes­serte Investoren­stimmung trotz ausbleiben­der Zins­sen­kungen

LIQID Smart Letter

April 2024

Das Wichtigste in Kürze:

  • Geld- und geopolitische Entwicklungen tragen zur Unsicherheit an Kapitalmärkten bei. Die Aktienmärkte setzten jedoch ihre starke Performance fort und auch Anleihen entwickelten sich im März nach einer Verschnaufpause positiv.
  • Die jüngsten Entscheidungen der Notenbanken überraschten mit Japans Abkehr von Negativzinsen und der ersten Zinssenkung durch die Schweizerische Nationalbank. Die EZB und FED ließen hingegen ihre Zinsen unverändert.
  • Großkapitalisierte Unternehmen haben seit Ende Oktober 2023 die Aktienmärkte angeführt und die USA aus einer Gewinnrezession geführt; nun bieten höhere Zinsen für länger auch Chancen für Substanzwerte.

Das derzeitige Wirtschafts- und Finanzmarktumfeld ist von großer Unsicherheit geprägt. Im Zentrum stehen dabei Geopolitik, Zentralbanken und wichtige Wahlen. Zudem haben die jüngsten Entwicklungen der Inflations- und Wachstumsraten dazu geführt, dass die Konsenserwartungen für Zinslockerungen in diesem Jahr deutlich nach unten korrigiert wurden.

Die Aktienmärkte lassen sich davon aber nicht beirren und setzen ihren Aufwärtstrend fort (s. Abb. 1). Sowohl der US-Index S&P 500 als auch der deutsche DAX verzeichneten mehrere Allzeithochs im vergangenen Monat. Die Jagd vom Allzeithoch zum nächsten ist historisch allerdings keine Seltenheit, wir haben dieses Phänomen in einem Artikel im Februar genauer beleuchtet. Weiterhin sind die großkapitalisierten Unternehmen die Treiber des positiven Trends, allerdings ergeben sich durch die Wahrscheinlichkeit erhöhter Zinsen über einen längeren Zeitraum, neue Opportunitäten für Substanzwerte – auch „Value” genannt. 

Nach einem schleppenden Start ins neue Jahr entwickelten sich die Anleihenmärkte im März positiv. Die Märkte scheinen das länger erhöhte Zinsniveau mittlerweile eingepreist zu haben. Somit konnte ein weiterer Monat von negativen Renditen im Anleihensegment vermieden werden.

Quelle: LIQID, Bloomberg. Gesamtrendite in Euro und Prozent. Aktien USA: MSCI USA Net TR, Aktien Europa: MSCI Europe Net TR, Aktien Schwellenländer: MSCI EM Net TR, Aktien Japan: MSCI Japan Net TR. Aktien Pazifik: MSCI Pacific ex Japan Net TR, Euro-Staatsanleihen: Bloomberg Euro Govt 1-10 Yr Bond Index, Unternehmensanleihen IG: Bloomberg Global Aggregate - Corporate Index, Hochzinsanleihen: Bloomberg Global High Yield Index, Schwellenländeranleihen: J.P. Morgan Emerging Markets Bond Global Core Index, Inflationsindexierte Anleihen: Bloomberg Global Inflation-Linked 1-10yrs TR Index EUR-Hedged, Gold: LBMA Gold Price, Rohstoffe: Bloomberg Commodity TR Index. Zeitraum März: 29.02.2024 - 31.03.2024, Zeitraum YTD: 31.12.2023 - 31.03.2024.

Anleihen: Navigieren durch das Labyrinth der Geldpolitik

Die letzten Wochen standen ganz im Zeichen der Notenbankentscheide, die nicht ohne Überraschungen blieben. Eröffnet wurde der geldpolitische Marathon von Japans Zentralbank (BoJ), die in einem historischen Schritt die Abkehr von ihrer jahrelangen Negativzinspolitik beschloss und damit die Märkte überraschte. Im Zuge der nachlassenden Inflationsdynamik überraschte auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit einer ersten Zinsreduktion (s. Abb. 2). Sie leitete damit als erste der bedeutenden westlichen Notenbanken den Zinssenkungszyklus ein. 

Die US-Notenbank FED und die Europäische Zentralbank (EZB) hielten die Zinsen hingegen im Rahmen der Erwartungen unverändert und betonten, dass noch mehr Datenpunkte notwendig seien, um sicher zu sein, dass die Inflation wieder in die angestrebten Zielbänder zurückkehren wird. Dennoch wurden erste mögliche Zinsschritte zur Jahresmitte in Aussicht gestellt, was Marktteilnehmer dazu veranlasste, diese Kommunikation im Sinne von „the best of both worlds” zu interpretieren. Mit anderen Worten: nur leicht rückläufige Zinsen bei einer gleichzeitig stabilen Wirtschaftslage, was einem „Soft-Landing”-Szenario entsprechen würde.

Quelle: LIQID, Bloomberg. Leitzins der US-Notenbank FED, der Europäischen Zentralbank (EZB), der Bank of Japan (BoJ) und der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Zeitraum: 31.03.2008 - 31.03.2024.

Wie bereits im bisherigen Jahresverlauf zu beobachten, sind die Markterwartungen hinsichtlich der zu erwartenden Zinsschritte weiterhin äußerst volatil, was auch das Antizipieren der entsprechenden Leitzinsanpassungen anspruchsvoller gestaltet. Auch wenn das aktuelle Marktgeschehen von der Diskussion bevorstehender Zinsschritte dominiert wird, ist es wichtig, das Gesamtbild nicht aus den Augen zu verlieren. Wir befinden uns nach wie vor auf einem „Soft-Landing”-Pfad. Ein Szenario, dem noch vor gut einem Jahr aufgrund der Schwierigkeiten einer konjunkturellen Abkühlung nur eine geringe Wahrscheinlichkeit eingeräumt wurde. 

Historisch betrachtet gab es in den USA in den letzten 35 Jahren nur einen Fall, in dem das Ende eines Zinserhöhungszyklus nicht von noch deutlicheren Zinssenkungen gefolgt wurde, die zudem von einer wirtschaftlichen Rezession begleitet waren. Wir befinden uns deshalb sprichwörtlich auf weitgehend unbekanntem Gelände, was die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von unvorhergesehenen Ereignissen erhöht.

Aktien: Weg aus der Gewinnrezession bietet neue Opportunitäten

Seit Beginn des aktuellen Aufwärtstrends an den Aktienmärkten am 27. Oktober 2023 wurde der Markt sowohl in den USA als auch in Europa von großkapitalisierten Unternehmen mit „monopolartigen” Qualitäten dominiert. Eine Rezession der Weltwirtschaft konnte zwar vermieden werden, aber es kam sowohl in der Industrie als auch bei Gewinnen zu einer Rezession. Die stärksten Wachstumswerte haben die USA inzwischen aus dieser Gewinnrezession geführt, Europa hinkt jedoch noch hinterher. Dies hat sich gleichzeitig auf mehrere Anlagestile ausgewirkt. Regional gesehen schlagen die USA den Rest der Welt, „Wachstum” schlägt „Substanz” und großkapitalisierte lassen kleinere Unternehmen hinter sich. Mit dem erwarteten Ende der industriellen Rezession und „höheren Zinsen für länger” ergeben sich neue Chancen.

Während der Gewinnrezession war Gewinnwachstum ein „rares Gut”, das entsprechend mit Kursgewinnen und einer Bewertungsprämie belohnt wurde. So konnte der US-Index S&P 500 im zweiten Quartal dank der „Magnificent 7” ein Gewinnwachstum von 7 Prozent erzielen. Der S&P 493 ohne diese sieben Titel verzeichnete hingegen ein Minus von 2 Prozent. 

Investoren können „Gewinnwachstum” zu niedrigeren Bewertungen erwerben. Dies birgt Aufholpotenzial für Substanzwerte. „Höhere Zinsen für länger” begünstigen an sich Substanzwerte. Dies liegt daran, dass höhere Zinsen in der Regel mit einer wachsenden Wirtschaft einhergehen, in der ein breit abgestütztes Gewinnwachstum möglich ist. Abbildung 3 zeigt die massive Unterperformance von Substanz- relativ zu Wachstumswerten gegenüber den US-Staatsanleihenzinsen. Das letzte Mal, als „Value” relativ zu „Wachstum” so niedrig gehandelt wurde, notierten die Zinsen für US-Staatsanleihen bei 1,5 Prozent. 

Quelle: LIQID, Bloomberg. Performance des Weltaktienindex „Value”: MSCI World Value Total Return Index in Euro relativ zu dem Weltaktienindex „Growth”: MSCI World Growth Total Return Index in Euro; Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen in Prozent. Zeitraum: 01.01.2021 - 01.04.2024.

Was heißt das für Anleger?

Wir halten an unserer bisherigen Einschätzung fest und erwarten sowohl für die FED als auch für die EZB eine erste Zinssenkung zum Ende des zweiten Quartals. Aufgrund der wieder leicht anziehenden Inflationszahlen nehmen wir unsere Leitzinsprognose bis Ende 2024 jedoch leicht zurück und erwarten nun von der FED Zinssenkungen von insgesamt 75 Basispunkten, während wir im Falle der EZB mit 100 Basispunkten rechnen. Mit diesen Annahmen liegen wir im Einklang mit den Markterwartungen.

Die Dynamik an den Aktienmärkten bleibt weiter ungebrochen und könnte durch erste Zinssenkungen im Sommer weiter verstärkt werden. Zudem öffnet die jüngste Börsenrally und die verbesserte Investorenstimmung neue Fenster für Börsengänge. Auch die Anleihenmärkte schlossen das erste Quartal nach zwei schwächeren Monaten positiv ab.