Venture Capital und das Power Law
Nur wenige Portfoliounternehmen sorgen für den Großteil der Gewinne eines Fonds – so lautet ein bekanntes Prinzip im Venture Capital (VC). Diesem Prinzip liegt das sogenannte „Power Law“ (Potenzgesetz) zugrunde. Vereinfacht beschreibt es eine spezielle Art von Beziehung zwischen zwei Größen: Wächst die eine Größe, verändert sich die andere nicht linear, sondern in einer bestimmten Potenz – entweder also viel schneller oder viel langsamer.
Dieses Gesetz lässt sich auch auf die Welt von Venture Capital übertragen: Nur wenige erfolgreiche Unternehmen im Portfolio reichen aus, um den gesamten Erfolg eines VC-Fonds auszumachen.
Wie genau funktioniert das Power Law?
In einem typischen Venture-Capital-Fonds werden viele verschiedene Unternehmen finanziert. Manager investieren oft in zwischen 20 und 100 Unternehmen mit nur einem einzigen Fonds. Die breite Streuung hat System, denn die Verteilung der erfolgreichen Gründungsstorys ist alles andere als gleichmäßig. Stattdessen sieht das Ergebnis oft so aus:
- 50 Prozent der Unternehmen scheitern ganz oder bringen nur geringe Rückflüsse.
- 30 Prozent liefern solide Renditen, aber keine überragenden Gewinne.
- 10 bis 20 Prozent sind große Erfolge, die einen wesentlichen Teil der Rendite ausmachen.
- Das letzte Prozent ist extrem erfolgreich und macht den Großteil des gesamten Gewinns eines Fonds aus.

Quelle: LIQID
Dieses Ungleichgewicht bedeutet, dass sich die Rendite eines Venture-Fonds fast ausschließlich aus wenigen, außergewöhnlich erfolgreichen Investitionen speist. Das zeigt auch ein Blick auf die Erträge der Branche: Über die letzten Jahre war in jedem Jahr ein einziges Prozent der Exits für 50 Prozent der gesamten Wertschöpfung der Venture-Capital-Branche verantwortlich.
Warum wirkt das Power Law bei Venture Capital?
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die dafür sorgen, dass im Bereich Venture Capital das Power Law wirkt.
Unsicherheit und Risiko
Start-ups sind von Natur aus ein risikoreiches Geschäft. Denn sie arbeiten zum Teil in komplett neuen Geschäftsfeldern ohne bisherige Erfahrungswerte, mit neuen Technologien und somit insgesamt unter großer Unsicherheit. Das macht Misserfolge wahrscheinlich, aber einzelne Erfolge enorm wertvoll.
Skalierbarkeit des Erfolgs
Die größten Erfolgsgeschichten im Start-up/Venture-Bereich haben Unternehmen geschrieben, die ihr Geschäftsmodell exponentiell skalieren konnten. Das ermöglicht schnelles, globales Wachstum und das Potenzial für außergewöhnliche Wertsteigerung.
Winner-takes-all-Märkte
Viele Start-ups sind in Märkten aktiv, in denen sich einzelne, besonders erfolgreiche Unternehmen einen Großteil der Gewinne sichern können. Wettbewerber bleiben zurück oder gehen unter. Passende Beispiele sind Google, Amazon oder Meta. Unternehmen, die sich hier durchsetzen, profitieren deutlich stärker als in stärker fragmentierten Märkten.
Attraktiv für Kapital und Köpfe
Prominente, erfolgreiche Start-ups üben oft eine starke Anziehung auf talentierte Fachkräfte, Kunden und Investoren aus. Dadurch wachsen die Erfolgschancen bei den ohnehin Erfolgreichen. Die „Loser“ haben das Nachsehen.
Was bedeutet das für die Venture-Manager?
Das Power Law hat zwei zentrale Auswirkungen für Venture-Manager:
Eine relativ hohe Risikobereitschaft ist nötig: Venture-Manager sind sich bewusst, dass viele der Unternehmen, in die sie investieren, scheitern werden. Sie streuen ihre Risiken aktiv über eine Vielzahl an Portfoliounternehmen, um so durch die wenigen Gewinner im Portfolio attraktive Renditen für ihre Investoren zu generieren. Nur durch diese breite Streuung können sie die speziellen Risiken der Anlageklasse erfolgreich steuern.
Fokus auf außergewöhnliche Unternehmen. Da nur wenige Start-ups wirklich große Erfolge erzielen, müssen Investoren frühzeitig erkennen, welche das Potenzial haben, besonders wertvoll zu werden. Sie verschaffen sich Zugang zu eben diesen besonderen Gründern und Start-ups über ihre einzigartigen Netzwerke. Hinzu kommt, dass die Beteiligung eines guten Venture-Managers auch für Unternehmen eine Signalwirkung haben kann. Deswegen gehen kluge Gründer aktiv mit ihren Geschäftsideen auf die renommiertesten Manager zu und versuchen, diese aktiv als Investoren zu gewinnen.
Das bedeutet, dass Venture-Investoren nicht einfach nur in „gute“ Unternehmen investieren – sie suchen gezielt nach den wenigen Unternehmen, die den gesamten Markt dominieren können. Nur diese sind in der Lage, die Verluste der gescheiterten Investments auszugleichen und hohe Gesamtrenditen zu erzielen.