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Warum die Zentralbank in den USA auf den Arbeitsmarkt blickt

LIQID Smart Letter

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die US-Zentralbank ist im Vergleich zur europäischen Zentralbank mit einem „dualen Mandat” ausgestattet: Sie soll für Preisstabilität und Vollbeschäftigung sorgen. 
  • In den letzten drei Jahren drehte sich alles um die Inflation. Nachdem diese nun deutlich gesunken ist, liegt der Fokus der Währungshüter stärker auf dem Arbeitsmarkt.
  • Wir erklären, vor welcher Herausforderung die Zentralbank gerade steht und welche Signale wegweisend für zukünftige Zinssenkungen sein werden.

Was macht die FED?

Die Federal Reserve, kurz FED, ist die Zentralbank der Vereinigten Staaten und hat seit 1913 die Aufgabe, die Stabilität des Finanzmarktes zu gewährleisten und wirtschaftlichen Krisen vorzubeugen. Seit ihrer Gründung hat sich ihr Aufgabenbereich stetig erweitert: Heute steuert sie die Geldpolitik, sorgt für stabile Preise, fördert die Beschäftigung, stabilisiert die Finanzmärkte und interveniert bei Krisen.

Eine der wichtigsten Aufgaben der FED ist die Geldpolitik. Die Zentralbank steuert die Geldmenge und beeinflusst die Zinssätze, um zwei zentrale Ziele zu erreichen: Preisstabilität und maximale Beschäftigung. Dieses sogenannte „duale Mandat“ verpflichtet die FED dazu, die Inflation auf einem gesunden Niveau – typischerweise um 2 Prozent – zu halten und gleichzeitig möglichst viele Arbeitsplätze in der Wirtschaft zu sichern. Dafür analysiert sie regelmäßig den Arbeitsmarkt, unter anderem durch die Beobachtung der Arbeitslosenquote, der Lohnentwicklung und des Beschäftigungswachstums. Sollte die Arbeitslosenquote steigen, könnte die FED Konsum und Investitionen ankurbeln, indem sie die Zinsen senkt. Gleichzeitig achtet sie darauf, dass der Arbeitsmarkt nicht „überhitzt“, also dass zu stark steigende Löhne nicht zu übermäßiger Inflation führen. In solchen Fällen könnte die FED durch Zinserhöhungen die Nachfrage gezielt abkühlen.

Die Entscheidungen der FED haben nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaft der USA, sondern beeinflussen auch die globalen Finanzmärkte. Änderungen des US-Leitzinses führen dazu, dass sich der US-Dollar im Vergleich zu anderen Währungen auf- oder abwertet, und beeinflussen damit weltweit Kapitalflüsse.

Die EZB ist nur der Preisstabilität verpflichtet

Neben den globalen Finanzmärkten hat die FED auch Einfluss auf die Geldpolitik anderer Zentralbanken. Ein starker US-Dollar sorgt für weniger Kapitalzuflüsse in anderen Währungsräumen und kann damit den Inflationsdruck erhöhen. Zentralbanken auf der ganzen Welt, wie auch die Europäische Zentralbank (EZB), blicken daher genau auf die Geldpolitik der FED. Zwischen den beiden Zentralbanken gibt es jedoch einen wesentlichen Unterschied:

Während die FED ein duales Mandat verfolgt, das sowohl die Förderung der Preisstabilität als auch die Maximierung der Beschäftigung umfasst, ist das Hauptziel der EZB klar in den EU-Verträgen festgelegt: die Wahrung der Preisstabilität. Wirtschaftswachstum und Beschäftigung spielen daher in der europäischen Geldpolitik nur eine untergeordnete Rolle.

Seit 2022 lag der Fokus auf der Bekämpfung der Inflation

Nach einer Phase sehr niedriger Zinsen während der COVID-19-Pandemie stieg die Inflation in den USA seit dem Jahr 2022 auf 9 Prozent – der höchste Wert seit den 1980er Jahren.

Die hohe Inflation hatte mehrere Ursachen: Die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie sorgte für eine starke Nachfrage, während Lieferkettenprobleme das Angebot begrenzten und Preise steigen ließen. Zudem trieben der Ukraine-Krieg und geopolitische Spannungen die Energiepreise in die Höhe.

Zur Bekämpfung der Inflation erhöhte die FED ab März 2022 den Leitzins schrittweise von 0,25 Prozent auf über 5 Prozent innerhalb eines Jahres. Das verteuerte Kredite und dämpfte die Nachfrage. Weniger Nachfrage senkte den Preisdruck und ließ die Inflation bis Oktober 2024 auf 2,6 Prozent fallen – nahe dem Ziel von 2 Prozent.

Quelle: LIQID, Bloomberg. Zeitraum: 01.01.2020 bis 30.11.2024. Die Federal Funds Rate ist der Zinssatz, zu dem sich Banken in den USA über Nacht Geld leihen. Der €STR bildet ab, zu welchem Zins sich große Banken in der Eurozone über Nacht Geld leihen. Erwartete Entwicklung basiert auf Zinsswaps (Overnight Index Swaps). Projektionen sind kein Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.

Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung der realen Zinssätze, das heißt unter Berücksichtigung der aktuellen Inflationsrate. Dadurch, dass die Inflationsrate mittlerweile deutlich gefallen ist, die Zinsen aber nach wie vor auf einem erhöhten Niveau liegen, ist der Realzins nun deutlich positiv. Insbesondere die FED hat damit nun Spielraum für Zinssenkungen, um eine sanfte Landung der Wirtschaft zu ermöglichen.

Quelle: LIQID, Bloomberg. Daten vom 02.12.2024. In den USA wird als Leitzins die Effective Federal Funds Rate angezeigt. In der Eurozone wird bis zum 31. Oktober 2019 der EONIA als Leitzins verwendet und danach die €STR-Rate. Der reale Leitzins ergibt sich aus der Zinsrate abzüglich der annualisierten Veränderung der jeweiligen Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr.

Warum der Arbeitsmarkt jetzt im Fokus steht

Nun, da die Inflation deutlich gesunken ist, konzentriert sich die FED wieder stärker darauf, den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Dafür beobachten die Währungshüter Indikatoren wie die Nonfarm Payrolls (neue geschaffene Stellen außerhalb der Landwirtschaft) und die Erwerbslosenquote sowie Lohnzuwächse und Arbeitsstunden.

Quelle: LIQID, LGT, Bloomberg, U.S. Bureau of Labor Statistics. Daten vom 02.12.2024. Die Veränderung zeigt in absoluten Zahlen die saisonbereinigten neu geschaffenen Stellen im U.S.-Arbeitsmarkt mit Ausnahme des Landwirtschaftssektors.  

Bei den neu geschaffenen Stellen zeigte sich zuletzt eine deutliche Abkühlung: Im Oktober 2024 lag der Wert bei nur 12.000; damit auf dem niedrigsten Niveau seit 2020 und deutlich unter den prognostizierten 113.000 Stellen. Erklären lässt sich dies zumindest teilweise durch die verheerenden Wirbelstürme und Streiks beim Flugzeugbauer Boeing, an denen sich 33.000 Mitarbeiter beteiligten. Experten rechnen daher damit, dass die Arbeitsmarktdaten für den November wieder deutlich höher ausfallen werden. 

Quelle: LIQID, Bloomberg. Daten vom 02.12.2024. Die dargestellten Erwerbslosenquoten geben den relativen Anteil der Erwerbslosen an der Gesamtbevölkerung der Erwerbstätigen für die jeweiligen Wirtschaftsräume an.

Ein weiterer wichtiger Indikator, die Erwerbslosenquote, ist dagegen in den USA zuletzt angestiegen und lag im Oktober bei 4,1 Prozent. Damit liegt der Wert aber noch weit unter dem historischen Durchschnitt, der eher über 6 Prozent zu verorten ist (1974–2024). Das bedeutet: Der Arbeitsmarkt zeigt erste Anzeichen einer Abkühlung, hat sich in einer Phase höherer Zinsen aber insgesamt als sehr robust erwiesen. Zum Vergleich: In der Eurozone ist die Erwerbslosenquote sogar gefallen und liegt bei 6,3 Prozent. Deutschland nähert sich diesem Wert gerade an, ausgehend von einem niedrigeren Niveau. 

Ausblick: Was bedeutet das für Anlegende

Den Zentralbanken auf beiden Seiten des Atlantiks ist es erfolgreich gelungen, die Inflationsraten wieder zu senken. Auch wenn das Zielniveau von 2 Prozent noch nicht erreicht ist: Die restriktive Geldpolitik hat Wirkung gezeigt. Mit einer großen ersten Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte im September hat die FED aber auch klargemacht, dass sie nun ihren Fokus wieder eher auf den Arbeitsmarkt als auf die Inflation richtet. 

Damit ist der US-Arbeitsmarktbericht nun derzeit eine äußerst wichtige – wenn nicht sogar die wichtigste – Wirtschaftsmeldung des Monats. Da der Bericht zu Beginn des Monats veröffentlicht wird, gibt er in der Regel die Erwartungen für die nachfolgenden Wirtschaftsmeldungen des Monats vor.

Verbesserungen bei den Arbeitsmarktdaten könnten dazu führen, dass die FED sich mehr Zeit mit Zinssenkungen lässt. Das ist insbesondere relevant, da Trumps Wirtschaftspolitik inflationsfördernd wirkt. Denn Importzölle wirken direkt preistreibend, während etwa eine Beschränkung der Migration das Arbeitsangebot in den USA untergräbt. Für die Märkte bedeutet das langfristig höhere Zinsen und einen stärkeren US-Dollar aufgrund der zunehmenden Divergenz zum Euro-Raum.

Sollten sich die Arbeitsmarktdaten dagegen verschlechtern, wird der Druck auf die FED steigen, die Zinsen zu senken. Damit bieten Anleihen Potenzial auf Kursgewinne, während Unternehmen von besseren Finanzierungskonditionen profitieren, und künftige Gewinne erscheinen wertvoller, was zu steigenden Kursen führen kann.