Carry Trades: Die Strategie hinter den jüngsten Kurseinbrüchen
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Das Wichtigste in Kürze:
- Anfang August führte eine Zinserhöhung in Japan zu massiven Abverkäufen, die weltweit Billionen vernichteten.
- Ein Grund dafür: Carry Trades. Diese nutzen Zinsunterschiede zwischen Währungen und gehen damit Risiken bei Zinsänderungen ein.
- Für Anleger unterstreichen die Entwicklungen, wie wichtig Diversifikation und ein kühler Kopf in volatilen Phasen sind.
Anfang August erlebten die globalen Finanzmärkte einen überraschend starken Rücksetzer. Nach einer beeindruckenden Rally und neuen Allzeithochs, wie zum Beispiel im US-Aktienindex S&P 500, kam es plötzlich zu erheblichen Abverkäufen. Viele Experten machten sogenannte Carry Trades für den Einbruch verantwortlich.
Während institutionelle Investoren in großem Stil verkauften, sahen Kleinanleger in den fallenden Kursen eine Kaufgelegenheit. Getreu dem Prinzip „Buy the Dip” nutzten sie die Gelegenheit, um günstig einzusteigen.
Doch was genau sind Carry Trades und wie haben sie zu den heftigen Marktschwankungen beigetragen? Wir beleuchten die Mechanismen der Trades und ziehen die Lehren für Privatanleger.
Der Ursprung von Carry Trades
Carry Trades sind eine gängige Strategie im Devisenhandel, die vor allem von Profis genutzt wird. Sie basiert auf Zinsunterschieden zwischen Währungen, die Arbitragemöglichkeiten bieten. Bereits seit den 1980er Jahren nutzen Anleger diese Methode, um von unterschiedlichen Zinssätzen in verschiedenen Ländern zu profitieren. Besonders in den 1990er und 2000er Jahren waren Carry Trades auf Basis des japanischen Yen sehr populär.
Im Kern des Carry Trades steht der Handel von Währungspaaren, bei dem eine Währung gekauft und die andere gleichzeitig verkauft wird. Die linke Währung im Paar ist die Basiswährung, die rechte die Kurswährung (z. B. USD/EUR). Der Kurs zeigt, wie viel von der Kurswährung für eine Einheit der Basiswährung benötigt wird.
Was sind Carry Trades? Ein einfaches Beispiel
Um zu verdeutlichen, wie Carry Trades funktionieren, betrachten wir ein einfaches Beispiel. Der Investor leiht sich Kapital zu einem niedrigen Zinssatz von beispielsweise 0,1 Prozent in einem Währungsraum wie Japan und investiert damit in Anlagen eines Währungsraumes mit deutlich höheren Zinsen, beispielsweise in den USA mit einem Zinssatz von 3,0 Prozent. Der Gewinn des Anlegers entsteht durch die Differenz zwischen dem niedrigen Zinssatz, den er zahlt, und dem höheren Zinssatz, den er durch die Investition erhält – diese Differenz wird als „Carry“ bezeichnet.
Carry Trades sind jedoch nicht ohne Risiko. Wechselkursveränderungen können die Gewinne schmälern oder sogar zu Verlusten führen, wenn die investierte Währung gegenüber der geliehenen Währung an Wert verliert. In diesem Fall könnte ein fallender US-Dollar gegenüber dem Yen dazu führen, dass Anleger mehr US-Dollar benötigen, um ihre Kredite in Japan zurückzuzahlen, als sie ursprünglich beim Wechsel erhalten haben.
Wie kam es zu den Kurseinbrüchen am 5. August?
Die jüngsten Abverkäufe an den Aktienmärkten zeichneten sich bereits Ende Juli ab. Technologieunternehmen, die zuvor besonders beliebt unter Anlegern waren, enttäuschten mit ihren Quartalszahlen die hohen Erwartungen institutioneller Investoren. Dies führte zu einer ersten Verkaufswelle, die Unsicherheit verbreitete. Kurz darauf schürten überraschend schlechte Arbeitsmarktzahlen aus den USA die Angst vor einer Rezession.
Der eigentliche Auslöser für den massiven Einbruch am 5. August war jedoch aus Sicht vieler Experten die überraschende Zinserhöhung der Bank of Japan. Nach Jahren der Niedrigzinspolitik hob die Zentralbank den Leitzins auf 0,25 Prozent an – die erste Erhöhung seit 2007. Diese Entscheidung schockierte die Märkte, insbesondere weil viele institutionelle Anleger stark in Yen-basierte Carry Trades involviert waren. Als Reaktion auf die Zinserhöhung begann eine massive Auflösung dieser Trades: Investoren mussten ihre Positionen verkaufen, um Verluste zu begrenzen, was zu einem weltweiten Abverkauf führte.
Der japanische Leitindex Nikkei 225 erlebte an diesem Tag den schlimmsten Börsentag seit dem „Schwarzen Montag“ 1987 (s. Abb. 2) und sank um 12,4 Prozent. Auch die europäischen und amerikanischen Börsen reagierten negativ, wenn auch weniger drastisch. Der S&P 500 und auch der NASDAQ 100 fielen um knapp 3 Prozent, und der deutsche DAX gab um 1,8 Prozent nach. Innerhalb weniger Stunden wurden weltweit Billionen US-Dollar an Börsenwerten vernichtet, und Schlagzeilen wie „Rezessionsangst" und „Platzen der Tech-Blase" beherrschten die Nachrichten.
Im Gegensatz zu den institutionellen Investoren, die ihre Positionen verkauften, nutzten Kleinanleger die sinkenden Kurse für Käufe in Aktien und ETFs. Daten von VandaResearch zeigen, dass die Kapitalzuflüsse der Kleinanleger in US-Aktien im August auf den höchsten Stand seit über einem Jahr gestiegen sind. Dass Kleinanleger entgegen dem Trend der Großanleger investieren, ist historisch betrachtet eher eine Seltenheit.
Schnelle Erholung der Märkte
Trotz des massiven Einbruchs erholten sich die Märkte anschließend überraschend schnell und lagen bereits Anfang September wieder fast auf den Allzeithochs. Nur wenige Tage nach dem 5. August setzte eine Erholungsrallye ein. Sie wurde befeuert durch positive Unternehmensnachrichten und die Aussicht auf eine wahrscheinliche Zinssenkung der US-Notenbank FED im September. Diese schnelle Erholung verdeutlichte, dass die Panikverkäufe größtenteils eine Kurzschlussreaktion waren.
Was heißt das für Anleger?
Für Anleger gibt es aus diesen Ereignissen wichtige Lehren zu ziehen. Erstens zeigt sich, wie schnell und unerwartet sich die Stimmung an den Märkten ändern kann, insbesondere wenn große institutionelle Investoren ihre Strategien anpassen. Zweitens unterstreichen diese Ereignisse die Bedeutung einer diversifizierten Anlagestrategie. Anleger sollten sich nicht nur auf eine Region oder Anlageklasse verlassen, sondern ihr Portfolio breit aufstellen, um volatile Marktphasen gut zu überstehen.
Schließlich erinnert der schnelle Kursrückgang daran, dass Märkte sich ebenso schnell erholen können und dass Panikverkäufe oft nicht die beste Reaktion sind. Langfristig orientierte Anleger, die einen kühlen Kopf bewahren und in Phasen der Unsicherheit ihre Strategie beibehalten, können von solchen Marktturbulenzen sogar durch Zukäufe profitieren.