Märkte: Momentum an den Aktienmärkten ungebrochen
LIQID Smart Letter
März 2024
Das Wichtigste in Kürze:
- Die globalen Aktienindizes erlebten aufgrund des KI-Hypes und starker Unternehmensberichte im Februar deutliche Zuwächse. An den Anleihenmärkten blieb die Stimmung gedämpft, da die Aussicht auf Zinssenkungen enttäuscht wurde.
- Ein Jahr nach der Krise der Silicon Valley Bank und anderer Regionalbanken zeigen sich die Anleihenmärkte trotz jüngerer Bankenprobleme aufgrund der starken US-Wirtschaft dennoch entspannt.
- Der S&P 500 wird weiterhin ungewöhnlich stark vom Technologiesektor getrieben. Auch chinesische Aktien scheinen aus ihrem Abwärtstrend ausgebrochen zu sein und haben im Februar einige positive Signale gesendet.
Im Februar setzten globale Aktienindizes ihren Aufwärtstrend fort (s. Abb. 1) und erreichten neue Höchststände: eine Entwicklung, die traditionell in diesem Monat nicht zu erwarten wäre. Besonders bemerkenswert war die Performance der US-Indizes S&P 500 und Nasdaq, die ihre stärksten Februar-Zuwächse seit 2015 verzeichnen konnten. Dieser Erfolg lässt sich sowohl auf den anhaltenden KI-Hype als auch auf die überraschend starke Gewinnberichtssaison zahlreicher Unternehmen zurückführen.
Demgegenüber zeigte sich eine gedämpfte Stimmung auf den Anleihenmärkten, wo die Erwartungen hinsichtlich baldiger Zinssenkungen enttäuscht wurden. Die Stimmung an den Anleihemärkten spiegelt die zunehmende Erkenntnis wider, dass Leitzinsen möglicherweise länger auf einem erhöhten Niveau verharren. Bereits im Dezember haben wir darauf hingewiesen, dass wir schnelle und deutliche Zinssenkungen für unwahrscheinlich halten. Das gilt besonders in einem Umfeld, in dem sich die US-Wirtschaft als sehr robust zeigt. Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass die Europäische Zentralbank (EZB) eher den Weg für zukünftige Zinssenkungen ebnen wird, während die US-Notenbank FED aufgrund positiver Wirtschaftsindikatoren vorsichtiger auftreten dürfte.
Anleihen: Höhere Zinsen für längere Zeit steht wieder im Mittelpunkt
Vor etwa einem Jahr begann eine rasante Talfahrt der Aktien der amerikanischen Silicon Valley Bank (SVB) und weiterer Regionalbanken. Vorausgegangen waren massive Zinserhöhungen der US-Notenbank, die in Kombination mit einem fahrlässigen Umgang mit Zinsrisiken zu einem Vertrauensverlust und schließlich zum Zusammenbruch verschiedener Finanzinstitute weltweit geführt haben.
Anfang Februar wurden Anleger erneut daran erinnert, dass die Situation möglicherweise noch nicht vollständig ausgestanden ist. So wurde beispielsweise die Bonität der New Yorker Community Bancorp von der Ratingagentur Moody’s auf Ramschniveau herabgestuft, während die Aktien der japanischen Aozora Bank massive Kursverluste hinnehmen mussten. Bei beiden Instituten stehen problematische Kredite im Zusammenhang mit US-Gewerbeimmobilien im Fokus.
Im Gegensatz zu den Ereignissen im Vorjahr zeigen sich die internationalen Anleihenmärkte bisher äußerst entspannt. Auf Index-Ebene gab es keine signifikante Ausweitung von Kreditrisikoaufschlägen (s. Abb. 2). Diese sogenannten „Spreads“ von US-Dollar- und Euro- Unternehmensanleihen reagierten nur in sehr begrenztem Umfang. Sie setzten damit ihren seit Anfang November letzten Jahres anhaltenden Trend fort, indem sie sich unabhängig vom Rating weiter verengten. Der Markt scheint die bisherigen Vorfälle als isolierte Ereignisse abzutun. Die treibende Kraft für Anleihenrenditen bleibt vorerst die robuste konjunkturelle Entwicklung in den USA.
Während sich die Kreditrisikoprämien im Einklang mit den US-Konjunkturdaten entwickeln, ist die Situation bei den Leitzinsen deutlich volatiler. Die vom Markt für 2024 antizipierten Leitzinssenkungen haben sich im letzten Monat als zu optimistisch bzw. zu aggressiv erwiesen. Die anhaltend starken Konjunkturdaten aus den USA den letzten Wochen lassen eine Rezession immer unwahrscheinlicher werden und gleichzeitig wollen die Zentralbanken sicherstellen, dass eine Leitzinssenkung nicht zu erneuter Inflation führt. Der Optimismus über Zinssenkungen scheint seinen Höhepunkt überschritten zu haben, und das Narrativ hoher Leitzinsen – die länger als üblich auf diesem Niveau bleiben – ist wieder präsent.
Im Vergleich zur US-Notenbank präsentiert sich die Situation für die EZB deutlich anspruchsvoller. Auch in der Eurozone hat sich die Inflation seit Jahresbeginn weiter abgeschwächt hat und damit der von der EZB angestrebten durchschnittlichen Inflationsrate von 2 Prozent angenähert. Für die EZB liegt die Herausforderungen in der enttäuschenden Wachstumsdynamik im Euroraum, die eine baldige Zinslockerung durchaus rechtfertigen würde.
Aktien: Von US-Tech-Höhenflügen zu chinesischen Erholungszeichen
Der Technologiesektor in den USA gilt als der große Gewinner der neuen Ära „Künstliche Intelligenz“ und ist der stärkste Treiber für den S&P 500 Index. Die fünf besten US-Aktien im S&P 500 erklären schätzungsweise 75 Prozent der Jahresperformance, die drei besten Aktien sogar rund 90 Prozent des US-Technologiesektors. Damit ist die Marktbreite im historischen Vergleich äußerst gering. Seitens Gewinnentwicklung hat der Technologiesektor im vierten Quartal 2023 überzeugt: Ein Gewinnwachstum von 33 Prozent im Nasdaq 100 vergleicht sich mit einer Wachstumsrate von knapp 6 Prozent im S&P 500 und einem Gewinnrückgang von minus 28 Prozent im Russell 2000.
Das hat die Sogwirkung der US-Technologie noch verstärkt und die Technologieindizes in anderen Weltregionen weit hinter sich gelassen – frei nach dem Motto: „the winner takes it all”. Zwischenzeitlich betrachten über 60 Prozent aller Investoren die „Magnificent 7” (die bekanntesten sieben technologienahen US-Aktien) als die größte Konsens-Übergewichtung, was auf erhöhte Risiken in der Positionierung hindeutet.
Chinesische Aktien hingegen gelten im Marktkonsens als die größte Untergewichtung. Im Bärenmarkt 2020-2024 haben chinesische Aktien rund 45 Prozent an Wert eingebüßt, was in etwa den Einbußen während der Bärenmärkte 2009-2013 und 2015-2016 entspricht (s. Abb. 3). Jüngst zeigen chinesische Aktien aber positive Anzeichen und brechen bei anziehenden Volumen aus ihrem Abwärtskanal aus.
An den Börsen wird spekuliert, dass sich die chinesische Regierung direkt in den Markt einschalten könnte, indem der Staat notleidende Projekte übernimmt und fertigstellt. Chinas Immobiliensektor befindet sich in einer Bilanzrezession und geldpolitische Anreize allein scheinen nur eine begrenzte Wirkung zu haben. Das liegt daran, dass die hoch verschuldeten Unternehmen trotz sinkender Zinssätze nicht bereit sind, weitere Kredite aufzunehmen. Direkte fiskalpolitische Eingriffe hingegen könnten eine unmittelbare und stärkere Wirkung haben. Der Aufwärtstrend könnte sich daher in Erwartung konzertierterer politischer Maßnahmen fortsetzen. Uns erscheint die Bewertung mit einem KGV-Verhältnis von 11x im Vergleich zur Historie konservativ.
Was heißt das für Anleger?
Wir erwarten, dass der erste Zinsschritt der EZB einen entscheidenden Zinssenkungszyklus einleiten wird und rechnen für 2024 mit einer geldpolitischen Lockerung der EZB um 125 Basispunkte und einer Reduktion von 75 bis 100 Basispunkten im Falle der US-Notenbank. Letztere kann sich sich aufgrund der starken Wirtschaftsdaten ein gemächlicheres Tempo erlauben.
Das starke Momentum an den Aktienmärkten in den ersten zwei Monaten basiert auf ambitionierten Gewinnerwartungen, die im Technologiesektor auch größtenteils erfüllt werden. Nach der jüngsten Rally liegen Aktien in entwickelten Ländern über den langfristigen Bewertungsniveaus. Für die Anleihenmärkte rechnen wir nach einer Verschnaufpause in Folge der Jahresendrally 2023 weiterhin mit einer positiven Rendite im Jahr 2024.